Blog-Eintrag:

27.08.2014


Einführung / Blindschleiche

In jüngster Zeit häufen sich die Fälle des Aussatzes von allerlei Reptilienarten in Deutschland. Leider bemerkt man auch in Ostwestfalen-Lippe diese Tendenz am eigenen Leibe.
In den meisten Fällen werden wir vom Berus Institut für Biodiversität zur Artbestimmung gerufen und sollen die vermeintlichen „Exoten“ erkennen und abfangen. Bei der Frage nach der Unterbringung wenden sich die Behörden auch an uns und vertrauenswürdige Händler im Einzugsgebiet, wie Checkpoint-Terraristik aus Gütersloh – heißt, für Kosten und Platz müssen eben genannte Parteien selbst aufkommen.

Oftmals sind es tatsächlich Kornnattern (Pantherophis guttatus), Königspythons (Python regius), Königsnattern (Lampropeltis spec.), aber auch Erdnattern (Pantherophis obsoletus) oder sogar tatsächliche Gefahrentiere, wie Westliche Diamantklapperschlangen (Crotalus atrox) oder Kobra-Arten (Naja spec.), die gefunden werden.

Einige Male ist es allerdings bedauerlicher Weise auch der Fall, dass wir aufgrund von Funden einheimischer Reptilien- und sogar Amphibienarten gerufen wurden. Selbst bei den Amphibien heißt es dann, es seien Echsen entdeckt worden.

Um gegen dieses Phänomen vorzugehen, wollen wir nun dieser Unkenntnis Herr werden und einen kleinen Blog starten, um dem Leser die einheimischen Reptilien und Amphibien etwas näher zu bringen.

Beginnen wollen wir mit der Blindschleiche (Anguis fragilis). Warum mit der Blindschleiche? Warum nicht mit den Amphibien – den Schwanz- und Froschlurchen? Ganz einfach! Bekommen sowohl die Behörden, als auch wir Anrufe mit der Aussage "Wir haben eine (exotische) Schlange gefunden, Sie müssen sofort kommen!", handelt es sich leider so oft lediglich um dieses Reptil.


Und schon beim Wort "Schlange" befindet sich der gravierende Fehler! Nicht nur, dass es sich bei dieser Tierart um keine Schlange handelt – es ist nicht einmal ein „Exot“!

Blindschleichen, oder auch Hasel- oder Hartwürmer genannt, gehören zu unseren heimischen Echsen, um genau zu sein, zu den Schleichen (Anguidae), einer eigenen Familie innerhalb der Schleichenartigen (Diploglossa).

Woran erkenne ich nun, dass eine Blindschleiche keine Schlange ist?

Die Merkmale, welche man sehen kann, ohne die Tiere anzufassen und somit zu stören (was nach einigen Gesetzgebungen, wie dem Bundesartenschutzgesetz, streng verboten ist!), sind folgende:

Sie besitzen bewegliche Augenlider und können somit ihre Augen schließen, was keine Schlangenart vermag. Des Weiteren besitzen die Schleichen den unverkennbaren Habitus (Erscheinungsbild) eines Echsenkopfes, zu dessen Erkennbarkeit man sich am besten ein paar Bilder von Eidechsen (Lacerta spec.) anschaut und im Vergleich einmal ein Bild einer Schlange direkt daneben legt. Man wird feststellen, dass sich der Kopf der Blindschleiche kaum bis gar nicht vom Körper absetzt, was allerdings zumindest bei allen heimischen Schlangenarten der Fall ist.

Wie bei vielen Echsenarten ist die Blindschleiche auch dazu im Stande, ihren Schwanz an bestimmten „Sollbruchstellen“ abzuwerfen – nur wächst dieser nicht einfach wieder nach.

Es gibt zwar auch noch eine Hand voll weiterer Merkmale, aber diese sind nicht ohne weiteres zu entdecken. Zum Beispiel besitzen Blindschleichen, im Gegensatz zu Schlangen, äußere Gehöröffnungen, die allerdings - anders, als bei anderen Echsen - mit Schuppen überdeckt sind. Auch besitzen die Tiere im Inneren noch Knochenreste von früheren Extremitäten und Rudimente des Beckengürtels, nur hat man leider im Feld meist kein Röntgengerät zur Erkennung dabei! ;-) Insofern belassen wir es mit den Merkmalen bei den erstgenannten.

Am Rande auch noch ein paar Informationen zum Lebensraum dieser Echsen:

Blindschleichen sind dazu im Stande, eine Vielzahl unterschiedlichster Lebensräume zu besiedeln – das nennt der Biologe Eurytopie. Hier sind vor allem lichte Laubwälder zu nennen, aber auch Bahndämme, Feuchtwiesen an Waldrändern, entwässerte Hochmoore, Hecken, und einige mehr. Selbst in dichtem Nadelwald sind schon Exemplare dieser Art gefunden worden, und das, obwohl den Tieren dort kaum ein Platz zum Aufwärmen durch Sonneneinstrahlung geboten wurde.

 

Die Blindschleiche soll nun erstes Tier unserer kleinen Einführungsreihe in die heimische Reptilien- und Amphibienwelt darstellen. Wir hoffen, dass dies der erste Schritt in die richtige Richtung ist, der breiten Bevölkerung diese eher versteckt lebenden Tiere näher zu bringen. Erst hinschauen, dann handeln!



Patrick Urban
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